Bereits die erste Kirche hatte einen Turm. Damit kann man davon ausgehen, dass diese mindestens eine Glocke hatte.

Dies gilt auch für die zweite Kirche. Seit dem 17. Jahrhundert gibt es zusätzlich auch schriftliche Unterlagen.

Älteste Beschreibung

Die älteste erhaltene Beschreibung stammt aus dem Jahre 1654 vom damaligen Superintendenten Magister Henricus Cregelius. Über Glocken und Uhr heißt es dort:

»Eine große feines Klanges, dener mehrentheils geleutet wird und die meisten arbeiter rhuft, weil damitt zu allen predigtenn, bettstunden, leichen, so Zum heiligen Abendmahl gewesen, Jahrmarkten, land gerichte, Ausführgang der armen Sünder geleutet wird, frembde leichen geben dafür einen Rthlr.

Eine kleine Glocke damitt allermahl nachgeleutet, U. damitt dem Kinde, so noch nicht Zum heil. Abendmahl gewesen geleutet wird. (...)

Noch eine kleinere Glocke drauf der Hammer von der Uhr schleget.

Mehr Glocken kan d Turm schwerlich ertragen, wen man schon noch zu einer gelangen könte.«

Die Baurechnungsbücher reichen bis in das Jahr 1627 zurück. Sie dokumentieren einmal Ausgaben für Reparaturen an den Glocken.

Außerdem musste bei Beerdigungen für das Läuten der Glocken extra bezahlt werden. Entsprechende Einträge findet man auf den Einnahmeseiten der Rechnungsbücher.

Umguss 1716

Im Jahre 1713 wurde die große Glocke als geborsten bezeichnet. Der kurfürstliche Stuckgießer Johann Philip Köhler kam im September nach Gifhorn und besah sich den Schaden. Doch kam es zu keinem Vertragsabschluss.

Drei Jahre später wurde dann der Turm abgebaut. Man zerschlug die geborstene Glocke an Ort und Stelle und brachte die Trümmer nach Celle. Dort goss der Glockengießer Johann Heinrich Grote aus dem Metall eine neue Glocke. Diese hatte ein Gewicht von 19 Centnern und 25 Pfund (≈ 900 kg). Dafür bekam er 120 Taler. Doch als er mit der neuen Glocke von Celle nach Gifhorn kam, da war der neue Glockenstuhl noch nicht fertig. Er mußte noch zwei Wochen warten, bevor die Glocke in den Glockenstuhl gehängt werden konnte. Für diese Wartezeit bekam er noch einmal knapp 5 Taler Zehrgeld. Die gesamten Zusatzarbeiten rund um die Glocke summierten sich auf 137 Taler. Zu diesen Ausgaben von 262 Talern steuerte der Amtmann Leonhard Friedrich Gödeke 100 Taler bei.

Umguss 1733

Doch sollte die neue Glocke nicht lange halten. Bereits nach 15 Jahren war sie »theils geborsten, theils aus denselben etliche Stücke gefallen, folglich (sie) gantz neu umgegoßen werden müßen.«

Für den Glockenguss war eine besondere Sammlung in der Kirchengemeinde vorgesehen. So wurden die Vorsteher der Gilden und Ämter auf das Rathaus zitiert. Deren Protest war heftig. Sie forderten, dass die Kosten aus der Kirchenkasse genommen würden, da ja diese durch Läuten bei Sterbefällen genügend Einnahmen hätte. So kam es zu keiner besonderen Sammlung.

Während so noch über die Bezahlung gestritten wurde, hatte sich der Glockengießer Johann Christian Kreiteweiß aus Braunschweig angeboten, den Guss durchzuführen. Bereits im April 1733 wurden die Trümmer der alten Glocke nach Braunschweig gebracht. Dort führte dieser dann den Guss durch. Ende Juni kam die fertige Glocke nach Gifhorn. Sie musste erst einmal in der Georgskapelle zwischengelagert werden, bevor sie Mitte 1735 in den gerade fertiggestellten neuen Glockenstuhl eingehängt werden konnte.

Bei der Bezahlung der Glocke gab es indessen auch mit dem Glockengießer heftigen Streit. Anscheinend waren bei Vertragsabschluss Teile nur mündlich vereinbart worden, was später zu unterschiedlichen Interpretationen führte. Letztlich musste sich Kreiteweiß mit 262 Talern begnügen.

Geschenk einer Glocke

Während die große Glocke umgegossen wurde, machte man sich auf die Suche nach einer neuen kleinen Glocke. Über die Hintergründe gibt es keine Unterlagen. Auch über den Verbleib der alten kleinen Glocke konnte nichts gefunden werden.

Im Jahre 1732 wandten sich die Kirchenmitglieder direkt an den Kurfürsten und baten um Schenkung einer kleinen Glocke, die auf dem Schlosshof nutzlos herumstand. Tatsächlich bekam man von der Regierung in Hannover eine positive Anwort. So konnte auch diese Glocke im neuen Glockenstuhl aufgehängt werden.

Umguss 1760

Doch lange sollte man an dieser kleinen kleinen Glocke keine Freude haben. Denn 1755 hatte sie einen Sprung bekommen. Da man bei der letzten Umgießung mit dem Glockengießer Kreisweiß viel Ärger gehabt hatte, so machten sich die Verantwortlichen, also Superintendent Steigerthal und Amtmann Tiling, auf die Suche nach einem neuen Glockengießer. Eine Anfrage beim Konsistorium führte nur zu einer sehr allgemeinen Antwort und vom Glockengießer Johann Peter Greten in Braunschweig bekam man eine Absage. So fragte man schließlich beim Konsistorialsekretär Arenhold in Hannover nach. Dieser stellte den Kontakt mit dem Glockengießer Johann Heinrich Christian Weidemann in Hannover her.

Weidemann kam nach Gifhorn und begutachtete den Schaden. Daraufhin wurde ein Vertrag abgeschlossen. Die defekte Glocke wurde nach Hannover gebracht und dort neu gegossen. Dabei ließ es sich Arenhold nicht nehmen, bei den Arbeiten vor Ort dabeizusein.

Glocke_1760
Glocke von 1760 (Foto: Gierz)

Eine umfangreiche Beschriftung auf der Glocke dokumentiert den Guss:

»CLARISONO PVLSU SACRIS, INSERVIO REBUS // IN LAUDES SUMMI CUNCTA REFERTE DEI // AUSPICIIS CHRISTIANI JOH. LUDOLPHI REUSMANN // S. TH. D. ET SUPERINTENDENTIS GIFHORN NEC. NON // JOHANN PHILIPPI TILING PRAEFECT GIFHORN HOC // AES CAMPANUM HANNOVERAE CONFLATUM EST.

A. JOH: HEINR: CHRIST. WEIDEMANN GOS MICH ANNO 1760«

(Übersetzt: »Mit helltönendem Klang diene ich den heiligen Dingen, zum Lobe des höchsten Gottes alle erfüllend unter Aufsicht des Doktors der Theologie und Superintendenten Gifhorns Christian Joh. Ludolph Reusmann und des Amtmanns Johann Philipp Tiling wurde die Glocke [wörtlich: das Erz oder die Glockenspeise] im Lande Hannover gegossen.«)

Die Glocke kam zurück nach Gifhorn und konnte wieder im Turm eingebaut werden. Weidemann bekam für den Guss 170 Taler. Für Aus- und Einbau sowie die Transporte konnten hiesige Handwerker noch weitere 45 Taler abrechnen.

Sie wiegt 11 Centner und 2 Pfund (≈ 540 kg) und klingt in gis. Es ist die älteste Glocke, die sich bis heute erhalten hat.

Reparatur der großen Glocke 1828

Nach fast 100 Jahren in Benutzung bekam die große Glocke im Herbst 1828 einen Sprung. Daraufhin meldeten Superintendent Kettler und Oberamtmann v. Uslar den Schaden an das Konsistorium. Sie schlugen vor, durch Entfernung des schadhaften Stücks die Glocke noch retten zu können. Das Konsistorium ließ sich von seinem Baumeister Ludwig Hellner (1791-1862) ein Gutachten anfertigen. Dieses bestätigte die geplante Reparatur. Der Schlosser Ulrici führte dann für 8 Taler die Arbeiten durch.

Umguss 1857

Lange war die notdürftig reparierte große Glocke nicht zu gebrauchen. So stellte 1857 der Kirchenvorstand fest, dass die Glocke umgegossen werden müsse. Deswegen habe er sich an den ihm als geschickten Glockengießer empfohlenen Meister Christian Heinrich Carl Stützer zu Benneckenstein im Harze gewandt. Da sich dieser zu der Zeit gerade in Gifhorn aufhielt, ging das weitere sehr schnell. Die Glocke wurde zerschlagen und Stützer nahm die Einzelteile mit in seine Werkstatt nach Benneckenstein. Dabei konnte er zwischen Braunschweig und Harzburg bereits die Eisenbahn benutzen. Das ging nicht nur deutlich schneller, sondern senkte auch die Frachtkosten. Zwei Monate später, im November des Jahres, kam die umgegossene Glocke zurück nach Gifhorn und konnte den Platz im Turm wieder einnehmen.

Sie hatte ein Gewicht von 26 Centnern und 86 Pfund (≈ 1316 kg) und klang in e (eine »große Terz« tiefer). Die Glocke kostete 364 Taler. Dazu kamen noch rund 31 Taler für Zimmer- und Schmiedearbeiten an hiesige Handwerker und die gleiche Summe an Transportkosten.

Auf der Glocke befand sich die Widmung »Soli Deo gloria« (»Gott allein die Ehre«) und als Dokumentation »Gegossen von C. H. Stützer in Benneckenstein 1857«.

Neue Achsen 1888

Im Jahre 1887 gab es anscheinend Beschwerden der Glockenläuter, dass die Glocken zu schwergängig seien. Daraufhin wandte sich der Kirchenvorstand an die Glockengießer-Firma J.J. Radler & Söhne in Hildesheim. Der Chef Karl Radler kam im Januar 1888 daraufhin persönlich nach Gifhorn und untersuchte den Glockenstuhl. In einem Gutachten stellte er fest, dass die Lager nebst Achsenzapfen sehr unrund und verzogen seien. Daraufhin wurde mit der Firma ein Vertrag abgeschlossen. Die Glocken erhielten neue Armaturen und durchgehende Wellen. Die Kosten lagen bei 745 Mark.

Abgabe Glocke 1917

Der Erste Weltkrieg führte zwangsläufig zu Einschränkungen für die Zivilbevölkerung. So wurde Gold eingesammelt, um zusätzliche Devisen für die Finanzierung zu gewinnen. Ab 1916 betraf das auch weitere Metalle, die für die Rüstungsindustrie gebraucht wurden. Auf Ersuchen des Königlichen Kriegsministeriums vom 1. März 1917 sollten dann auch alle Kirchenglocken aus Bronze eingezogen werden. Eine Ausnahme gab es für die kleine Glocke, da diese »für Bedürfnisse des Gottesdienstes« gebraucht wurde.

Neue Glocke 1926

Nach dem Kriege musste die Kirchengemeinde eine besondere Sammlung durchführen, um einen Ersatz zu bekommen. Erst im April 1926 war eine Summe von über 5000 Reichsmark zusammengekommen. Das reichte für eine neue Glocke. Diese wurde von der Glocken- und Kunstgießerei Rincker im hessischen Sinn gegossen.

Die neue Glocke hatte ein Gewicht von 1444 kg und klang in e. Sie wurde per Bahn angeliefert und dann feierlich mit einem großen Umzug zur Kirche gebracht. Offizielle Einweihung war im Gottesdienst am ersten Pfingsttag des Jahres.

Erneuter Verlust 1943

Auch im zweiten Weltkrieg brauchte die Wirtschaft dringend Nachschub für die Kriegsmaschinerie. Bereits Ende 1938 wurde auf dem Friedhof aller eiserner Schmuck aufgelistet, der für eine Eisenverwertung in Frage kam. Und Anfang 1940 mussten alle Glocken an das Reichswirtschaftsministerium gemeldet werden. Letztlich durfte die Kirchgemeinde auch dieses Mal die kleine Glocke von 1760 behalten. Dagegen musste die grosse 1943 abgegeben werden. Nur siebzehn Jahre hatte sie im Turm hängen können.

Auch dies geschah ohne Entschädigung. Zwar versuchte Superintendent Chappuzeau 1950 beim Finanzamt eine Entschädigung von 8.664 Reichsmark zu erreichen, doch auch das blieb ohne zählbares Ergebnis.

Zwei neue Glocken 1957

Es sollte bis zum Jahr 1957 dauern, ehe die Kirche ihr Geläut wieder erweitern konnte. Dieses Mal reichte es sogar zu zwei neuen Glocken. Waren bis April 1957 4.500 DM zusammengekommen, so erhöhte sich diese Summe im Laufe eines halben Jahres auf über 10.000 DM. So konnte die Gemeinde wieder bei der Firma Rincker zwei neue Glocken bestellen. Am Volkstrauertag des Jahres wurden sie dann eingeweiht.

Neue Glocken 1957
Die neuen Glocken 1957 (Foto: Kirchenarchiv)

Neben einer großen Glocke als Ersatz für die abgegebene Glocke kam noch eine kleine hinzu. Damit wurde die historische Glocke von 1760 zur mittleren Glocke im Geläut.

Auch diese haben Inschriften. So heißt es auf der großen Glocke in es:

»Der Tod ist verschlungen in den Sieg. Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gegeben hat durch unseren Herrn Jesus Christus. Gegossen im Jahre 1957.«

Sie soll den Gefallenen und Verstorbenen der beiden Weltkriege gedenken.

Um Segen bittet schließlich die kleinste Glocke in b:

»Sprich Deinen milden Segen zu allen unseren Wegen, laß Großen und auch Kleinen die Gnadensonne scheinen. Gegossen im Paul Gerhard-Gedächtnisjahr 1957.«

Literatur

Aller-Zeitung vom 4.11.1997: Sonderseite »Glocken«

Ulrich Roshop: »Die St.-Nicolai-Kirche in Gifhorn«, Veröffentlichungen Heft 3 des Museums- und Heimatverein Gifhorn e.V., Gifhorn 1980

Diverse Akten und Rechnungsbücher im Kirchenarchiv