Glocken und Uhr

Bereits die erste Kirche hat einen Turm gehabt. Damit kann man davon ausgehen, dass dort auch eine Glocke gehangen hat.

Dies gilt auch für die zweite Kirche. Seit dem 17. Jahrhundert gibt es zusätzlich auch schriftliche Unterlagen. Die Baurechnungsbücher reichen bis in das Jahr 1627 zurück. Sie dokumentieren einmal Ausgaben für Reparaturen an den Glocken. Außerdem muss bei Beerdigungen für das Läuten der Glocken extra bezahlt werden. Entsprechende Einträge findet man auf den Einnahmeseiten der Rechnungsbücher.

1654: Älteste Beschreibung

Die älteste erhaltene Beschreibung stammt vom Superintendenten Magister Henricus Cregelius (1594-1665). Über Glocken und Uhr schreibt er:

1654_Merian_Kirchturm
Kirchturm. Ausschnitt aus dem Merian-Stich von 1654. (Repro: Gierz)

»Eine große feines Klanges, dener mehrentheils geleutet wird und die meisten arbeiter rhuft, weil damitt zu allen predigtenn, bettstunden, leichen, so Zum heiligen Abendmahl gewesen, Jahrmarkten, land gerichte, Ausführgang der armen Sünder geleutet wird, frembde leichen geben dafür einen Rthlr.

Eine kleine Glocke damitt allermahl nachgeleutet, U. damitt dem Kinde, so noch nicht Zum heil. Abendmahl gewesen geleutet wird. (...)

Noch eine kleinere Glocke drauf der Hammer von der Uhr schleget.

Mehr Glocken kan d Turm schwerlich ertragen, wen man schon noch zu einer gelangen könte.«

1714: Neue Uhr

Nachdem 1703 ein Blitz in den Kirchturm eingeschlagen hat, gibt es in den folgenden Jahren immer wieder Reparaturen an der Uhr auszuführen. Doch 1714 hilft keine Reparatur mehr. Der Celler Uhrmacher Thomas Schieber kommt nach Gifhorn und besieht sich die Uhr. Daraufhin einigt man sich darauf, dass dieser für 54 Taler eine neue Uhr anfertigen solle. Zusätzlich richten noch Gifhorner Handwerker die Uhrkammer im Turm neu her, was weitere rund 30 Taler kostet.

1716: Umguss

Im Jahre 1713 wird die große Glocke als geborsten bezeichnet. Der kurfürstliche Stuckgießer Johann Philip Köhler kommt im September nach Gifhorn und besieht sich den Schaden. Doch kommt es zu keinem Vertragsabschluss.

Drei Jahre später wird dann der Turm abgebaut. Man zerschlägt die geborstene Glocke an Ort und Stelle und bringt die Trümmer nach Celle. Dort gießt der Glockengießer Johann Heinrich Grote aus dem Metall eine neue Glocke. Diese hat ein Gewicht von 19 Centnern und 25 Pfund (≈ 900 kg). Dafür bekommt er 120 Taler. Doch als er mit der neuen Glocke von Celle nach Gifhorn kommt, ist der neue Glockenstuhl noch nicht fertig. Er muss noch zwei Wochen warten, bevor die Glocke in den Glockenstuhl gehängt werden kann. Für diese Wartezeit bekommt er noch einmal knapp 5 Taler Zehrgeld. Die gesamten Zusatzarbeiten rund um die Glocke summieren sich auf 137 Taler. Zu diesen Ausgaben von 262 Talern steuert der Amtmann Bernhard Friedrich Gödeke 100 Taler bei.

1732: Geschenk einer Glocke

Die Kirchengemeinde macht sich auf die Suche nach einer neuen kleinen Glocke. Über die Hintergründe fehlen die keine Unterlagen, insbesondere über den Verbleib der alten kleinen Glocke. Man wendet sich direkt an den Kurfürsten und bittet um Schenkung einer kleinen Glocke, die auf dem Schlosshof nutzlos herumsteht. Tatsächlich bekommt man von der Regierung in Hannover eine positive Anwort. So kann diese Glocke drei Jahre später im neuen Glockenstuhl aufgehängt werden.

1733: Umguss

Die neue Glocke hat nach ihrem Neuguss nicht lange gehalten. Bereits nach 15 Jahren ist sie »theils geborsten, theils aus denselben etliche Stücke gefallen, folglich (sie) gantz neu umgegoßen werden müßen.«

Für den Glockenguss wird eine besondere Sammlung in der Kirchengemeinde vorgesehen. So werden die Vorsteher der Gilden und Ämter auf das Rathaus zitiert. Deren Protest ist heftig. Sie fordern, dass die Kosten aus der Kirchenkasse genommen würden, da ja diese durch Läuten bei Sterbefällen genügend Einnahmen hätte. So kommt es zu keiner besonderen Sammlung.

Während so noch über die Bezahlung gestritten wird, hatte sich der Glockengießer Johann Christian Kreiteweiß aus Braunschweig angeboten, den Guss durchzuführen. Im April 1733 werden die Trümmer der alten Glocke nach Braunschweig gebracht. Dort führt dieser dann den Guss durch. Ende Juni kommt die fertige Glocke nach Gifhorn. Sie muss erst einmal in der Georgskapelle zwischengelagert werden, bevor sie ebenfalls in den neuen Glockenstuhl eingehängt werden kann.

Bei der Bezahlung der Glocke gibt es indessen auch mit dem Glockengießer heftigen Streit. Anscheinend sind bei Vertragsabschluss Teile nur mündlich vereinbart worden, was später zu unterschiedlichen Interpretationen führt. Letztlich muss sich Kreiteweiß mit 262 Talern begnügen.

1760: Umguss

Doch lange hat man an der kleinen Glocke keine Freude. Denn 1755 bekommt sie einen Sprung. Da man bei der letzten Umgießung mit dem Glockengießer Kreisweiß viel Ärger gehabt hat, so machen sich die Verantwortlichen, also Superintendent Steigerthal und Amtmann Tiling, auf die Suche nach einem neuen Glockengießer. Eine Anfrage beim Konsistorium führt nur zu einer sehr allgemeinen Antwort. Vom Glockengießer Johann Peter Greten in Braunschweig bekommt man eine Absage. So fragt man schließlich beim Konsistorialsekretär Arenhold in Hannover nach. Dieser stellt den Kontakt mit dem Glockengießer Johann Heinrich Christian Weidemann (1717-1785) in Hannover her.

Weidemann kommt nach Gifhorn und begutachtet den Schaden. Daraufhin wird ein Vertrag abgeschlossen. Die defekte Glocke wird nach Hannover gebracht und dort neu gegossen. Dabei läßt es sich Arenhold nicht nehmen, bei den Arbeiten vor Ort dabeizusein.

Glocke_1760
Glocke von 1760 (Foto: Gierz)

Eine umfangreiche Beschriftung auf der Glocke dokumentiert den Guss:

»CLARISONO PVLSU SACRIS, INSERVIO REBUS // IN LAUDES SUMMI CUNCTA REFERTE DEI // AUSPICIIS CHRISTIANI JOH. LUDOLPHI REUSMANN // S. TH. D. ET SUPERINTENDENTIS GIFHORN NEC. NON // JOHANN PHILIPPI TILING PRAEFECT GIFHORN HOC // AES CAMPANUM HANNOVERAE CONFLATUM EST.

A. JOH: HEINR: CHRIST. WEIDEMANN GOS MICH ANNO 1760«

(Übersetzt: »Mit helltönendem Klang diene ich den heiligen Dingen, zum Lobe des höchsten Gottes alle erfüllend unter Aufsicht des Doktors der Theologie und Superintendenten Gifhorns Christian Joh. Ludolph Reusmann und des Amtmanns Johann Philipp Tiling wurde die Glocke [wörtlich: das Erz oder die Glockenspeise] im Lande Hannover gegossen.«)

Die Glocke kommt zurück nach Gifhorn und wird wieder im Turm eingebaut. Weidemann erhält für den Guss 170 Taler. Für Aus- und Einbau sowie die Transporte können hiesige Handwerker noch weitere 45 Taler abrechnen.

Die Glocke wiegt 11 Centner und 2 Pfund (≈ 540 kg) und klingt in gis. Es ist die älteste Glocke, die sich bis heute erhalten hat.

1828: Reparatur der großen Glocke

Nach fast 100 Jahren in Benutzung bekommt die große Glocke einen Sprung. Daraufhin melden Superintendent Kettler und Oberamtmann v. Uslar den Schaden an das Konsistorium. Sie schlagen vor, durch Entfernung des schadhaften Stücks die Glocke noch retten zu können. Das Konsistorium läßt sich von seinem Baumeister Ludwig Hellner (1791-1862) ein Gutachten anfertigen. Dieses bestätigt die geplante Reparatur. Der Schlosser Wilhelm Ulrici führt dann für 8 Taler die Arbeiten durch.

Turmuhr_Weule
Turmuhr von Uhrmacher Johann Friedrich Weule 1852, heute im Uhrenmuseum in Bockenem. (Kirchenarchiv)

1852: Neue Uhr

Dem Uhrmacher Johann Friedrich Weule (1811-1897) aus Bockenem fertigt und liefert eine neue Turm. Sie kostet 390 Taler.

1857: Umguss

Der Kirchenvorstand stellt fest, dass die notdürftig reparierte große Glocke doch umgegossen werden muss. Man habe sich an den ihm als geschickten Glockengießer empfohlenen Meister Christian Heinrich Carl Stützer zu Benneckenstein im Harze gewandt. Da sich dieser zu der Zeit gerade in Gifhorn aufhält, geht das weitere sehr schnell. Die Glocke wird zerschlagen. Stützer nimmt die Einzelteile mit in seine Werkstatt nach Benneckenstein. Dabei kann er zwischen Braunschweig und Harzburg bereits die Eisenbahn benutzen. Das geht nicht nur deutlich schneller, sondern senkt auch die Frachtkosten. Zwei Monate später kommt die umgegossene Glocke zurück nach Gifhorn und kann den Platz im Turm wieder einnehmen.

Sie hatt ein Gewicht von 26 Centnern und 86 Pfund (≈ 1316 kg) und klingt in e (eine »große Terz« tiefer). Die Glocke kostet 364 Taler. Dazu kommen noch rund 31 Taler für Zimmer- und Schmiedearbeiten an hiesige Handwerker und die gleiche Summe an Transportkosten.

Auf der Glocke befindet sich die Widmung »Soli Deo gloria« (»Gott allein die Ehre«) und als Dokumentation »Gegossen von C. H. Stützer in Benneckenstein 1857«.

1888: Neue Achsen

Auf Beschwerden der Glockenläuter, dass die Glocken zu schwergängig seien, wandet sich der Kirchenvorstand an die Glockengießer-Firma J.J. Radler & Söhne in Hildesheim. Der Chef Karl Radler kommt persönlich nach Gifhorn und untersucht den Glockenstuhl. In einem Gutachten stellt er fest, dass die Lager nebst Achsenzapfen sehr unrund und verzogen seien. Daraufhin wird mit der Firma ein Vertrag abgeschlossen. Die Glocken erhalten neue Armaturen und durchgehende Wellen. Die Kosten liegen bei 745 Mark.

1917: Abgabe Glocke

Der Erste Weltkrieg führt zwangsläufig zu Einschränkungen für die Zivilbevölkerung. So wird Gold eingesammelt, um zusätzliche Devisen für die Finanzierung zu gewinnen. Ab 1916 betrifft das auch weitere Metalle, die für die Rüstungsindustrie gebraucht werden. Auf Ersuchen des Königlichen Kriegsministeriums sollen dann auch alle Kirchenglocken aus Bronze eingezogen werden. Eine Ausnahme gibt es für die kleine Glocke, da diese »für Bedürfnisse des Gottesdienstes« gebraucht wird.

1926: Neue Glocke

Nachdem durch eine besondere Sammlung eine Summe von über 5000 Reichsmark zusammengekommen ist. kann eine neue Glocke bestrellt werden. Diese wird von der Glocken- und Kunstgießerei Rincker im hessischen Sinn gegossen.

Die neue Glocke hat ein Gewicht von 1444 kg und klingt in e. Sie wird per Bahn angeliefert und dann feierlich mit einem großen Umzug zur Kirche gebracht. Offizielle Einweihung ist im Gottesdienst am ersten Pfingsttag des Jahres.

1943: Erneuter Verlust

Auch im zweiten Weltkrieg braucht die Wirtschaft dringend Nachschub für die Kriegsmaschinerie. Bereits Ende 1938 wird auf dem Friedhof aller eiserner Schmuck aufgelistet, der für eine Eisenverwertung in Frage kam. Und Anfang 1940 müssen alle Glocken an das Reichswirtschaftsministerium gemeldet werden. Letztlich darf die Kirchgemeinde auch dieses Mal die kleine Glocke von 1760 behalten. Dagegen muss die große abgegeben werden. Nur siebzehn Jahre hat sie im Turm hängen können.

Auch dies geschieht ohne Entschädigung. Zwar versucht Superintendent Chappuzeau 1950 beim Finanzamt eine Entschädigung von 8.664 Reichsmark zu erreichen, doch auch das bleibt ohne zählbares Ergebnis.

1957: Zwei neue Glocken

Sammlungen erbringen über 10.000 DM. Diese Summe reicht sogar für zwei neuen Glocken. Bestellt wird wieder bei der Firma Rincker.

Neue_Glocken_1957
Weihe der neuen Glocken (Repro: Gierz)

Am Volkstrauertag des Jahres werden sie dann eingeweiht.

Neben einer großen Glocke als Ersatz für die abgegebene Glocke kommt noch eine kleine hinzu. Damit wird die historische Glocke von 1760 zur mittleren Glocke im Geläut.

Gr_Glocke_1957
Große Glocke von 1957 im Glockenstuhl. (Foto: Gierz)

Auch diese haben Inschriften. So heißt es auf der großen Glocke in es:

»Der Tod ist verschlungen in den Sieg. Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gegeben hat durch unseren Herrn Jesus Christus. Gegossen im Jahre 1957.«

Sie soll den Gefallenen und Verstorbenen der beiden Weltkriege gedenken.

Kl_Glocke_1957
Kleine Glocke von 1957 im Kirchenstuhl. (Foto: Gierz)

Um Segen bittet schließlich die kleinste Glocke in b:

»Sprich Deinen milden Segen zu allen unseren Wegen, laß Großen und auch Kleinen die Gnadensonne scheinen. Gegossen im Paul Gerhard-Gedächtnisjahr 1957.«

Neue Turmuhr

Nach über 100 Jahren muss auch die Turmuhr ausgewechselt werden. Dabei nutzt man die neuen Möglichkeiten der Technik.

1963: Einbau eines neuen elektrischen Turmuhrwerks mit vollautomatischer Steuerung durch den Turmuhrmacher Willi Kippel aus Königslutter. Anlage eines zweiten Ziffernblatts an der Nordostseite.

1984: Erneuerung der kompletten Läuteanlage durch die Fa. Herforder Elektromotoren-Werke (HEW).

Schlussstein_Zifferblatt
Schlussstein unterhalb des Turmdachs und Zifferblatt der Turnuhr. (Foto: Gierz)

2000: Einbau einer neuen Funkhauptuhr durch die Fa. Herforder Elektromotoren-Werke (HEW).

2008: Einbau von drei einzelnen Motorzeigertreibwerken oben im Turm.

Literatur

Aller-Zeitung vom 4.11.1997: Sonderseite »Glocken«

Uwe Gierz: »St. Nicolai in Gifhorn«, Calluna Südheide Verlag, Dedelstorf-Oerrel 2024