Die Georgskapelle lag vor der Stadt am Fuße des Weinberges. Sie diente mehrere Jahrhunderte als Friedhofskapelle.
Die Georgskapelle lag vor der Stadt am Fuße des Weinberges. Sie diente mehrere Jahrhunderte als Friedhofskapelle.
Über die Gründung der Kapelle gibt es eine Urkunde der Herzöge Albrecht von Sachsen-Wittenberg († 1385) und Bernhard zu Braunschweig-Lüneburg († 1434). Danach wurde die Kapelle im Jahre 1382 durch die Junker Eberhard und Konrad von Marenholtz gestiftet. Abt Johannes (amt. 1373-1383) vom Kloster Marienthal (bei Helmstedt) hat sie dem Drachentöter St. Georg geweiht. Die beiden Junker statteten diese mit Ländereien bei Gifhorn und im Papenteich aus. Die Einnahmen dienten zur Bezahlung von Priestern, die in der Kapelle Gottesdienste und Messen abhielten. Zwei Urkunden aus den Jahren 1396 und 1399 nennen einen Priester Hermann.
In ihrer langen Geschichte hat die Kapelle eine wechselvolle Entwicklung erfahren. Bei der fast totalen Zerstörung von Gifhorn im Jahre 1519 (»Hildesheimer Stiftsfehde«) scheint die Kapelle verschont geblieben zu sein. So konnte sie längere Zeit als Ersatz für Gifhorn dienen, bis endlich die neue St.-Nicolai-Kirche fertiggstellt war.
Der Platz um diese neue Kirche war relativ eng. So entschieden sich die Bürger anscheinend, gemäß den neuen Möglichkeiten ihren Kirchhof (heutige Bezeichnung Friedhof) außerhalb anzulegen. Sie wählten einen Platz, der hinter der Georgskapelle an einem Hang lag, außerhalb des Sumpflandes der Allerniederung. Damit kamen sie letztlich einer Anordnung der Landesregierung zuvor. Im Jahre 1564 wurde die Auslagerung der Begräbnisplätze für das gesamte Herzogtum Lüneburg angeordnet.
Bis zum 30jährigen Krieg war die Kapelle mit ihren Pfründen noch im Besitz der Stifterfamilie von Marenholtz. Diese lebte zu der Zeit in Gerstenbüttel. Die Erträge wurden seit der Reformation nicht mehr zur Finanzierung von Geistlichen benutzt, sondern dienten Kindern aus Gifhorn als Unterstützung beim Studium oder auch zum Erlernen des Orgelspiels. Danach ging die Stiftung und damit wohl auch die Kapelle in den Besitz von St. Nicolai über. Superintendent Cregelius konnte um 1650 das Stiftungsvermögen (»Beneficium«) noch vergrößern.
Durch die besondere Lage bot es sich an, die Kapelle auch als Friedhofskapelle zu benutzen. Für betuchte Bürger stand sogar der Platz in der Kapelle und in der Kirche für Bestattungen zur Verfügung. Seit wann das der Fall war, verraten die vorhandenen Quellen nicht. Die soziale Staffelung der Gesellschaft zeigte sich damit auch beim Begräbnis.
In den folgenden Jahrhunderten wurde das Gebäude mehrmals baufällig und musste dann immer wieder an Dach, Türen und Fenstern neu hergerichtet werden.
Die Kirchenrechnungsbücher dokumentieren eine große Renovierung der Kapelle in den Jahren 1708 bis 1711. Dabei wurden bei dem Fachwerk viele Balken ersetzt. Da auch Ziegelsteine beschafft wurden, kann man davon ausgehen, daß dabei auch Lehmwände durch Ziegelwände ersetzt wurden. Außerdem wurde das Dach größtenteils mit Ziegeln neu gedeckt. Im Inneren wurde der Boden mit Steinplatten aus Velpke neu ausgelegt, soweit dort keine Grabplatten lagen. Die Kanzel wurde neu gestaltet. Die Prieche (Empore) bekam einen neuen Dielenboden. Das Gestühl musste überwiegend neu gefertigt werden, ebenso die Treppenzugänge zu Kanzel und Prieche. An den Fenstern wurden viele Scheiben ausgewechselt. Die Rahmen bekamen einen neuen Anstrich. Für den Anstrich der Türen ist eine weiße Ölfarbe dokumentiert, die von dem Apotheker Attaler bezogen wurde.
Bereits 1719 wurden die Türen wieder mit weißer Ölfarbe gestrichen. Die nächsten größeren Reparaturen an Dach und Wänden erfolgten 1731. Danach lag der Fokus erst einmal für Jahrzehnte auf dem Neubau der Kirche. Eine kleinere Reparatur 1759/60 betraf Türschwellen und Fenster. Und 1785 waren hauptsächlich die Wände auszubessern.
Während der napoleonischen Kriege erlitt die Kapelle besonders schwere Beschädigungen. Mit den französischen Soldaten kamen auch starke antikirchliche Strömungen in das Land. In der Kapelle wurde eine Schmiede eingerichtet, da die vorhandenen Kapazitäten der Gifhorner Schmiede nicht ausreichten. Dabei wurde wohl die gesamte Inneneinrichtung als Feuerholz benutzt. Auch sämtliche Zäune waren vor den Soldaten nicht sicher. Sogar von Leichenschändungen wird berichtet.
Als die letzten Besatzungssoldaten endlich im Herbst 1813 abzogen, hinterließen sie eine weitgehend ausgeplünderte Bevölkerung. Die Kapelle war nur noch eine leere Hülle. Wegen fehlender Finanzmittel konnte sie nur notdürftig wieder instand gesetzt werden. Die nächsten 28 Jahre verwendete man sie nur als Aufbewahrungsort für die Leichen. Gottesdienstliche Handlungen fanden nicht statt.
Erst 1841 reichten die finanziellen Mittel für eine grundlegende Sanierung der Kapelle. Sie erhielt einen neuen Altar, eine neue Kanzel und neues Gestühl samt einer Prieche. Damit konnte die Kapelle endlich wieder für Gottesdienste und Trauerfeiern verwendet werden.
Im Jahre 1867 wurde an die Kapelle eine Remise angebaut. Dort konnte dann der Leichenwagen untergebracht werden. Die nächsten Reparaturen waren 1874/75 fällig. Dabei wurden die Wände neu verputzt. Für die Ausbesserung des Daches mussten etliche Ziegel ausgewechselt werden. Außerdem bekam das Dach Dachrinnen aus Kupfer. Türen und Fenster wurden neu gestrichen.
Die wachsende Bevölkerung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts führte dazu, daß auch der Platz auf dem Kirchhof immer knapper wurde. Seit 1874 versuchte der Kirchenvorstand, durch den Ankauf von anliegenden Grundstücken eine Erweiterung zu realisieren. Doch blieben diese Bemühungen aus verschiedenen Gründen erfolglos. So wurde weiter oben am Wilscher Weg 1889 ein größeres Grundstück erworben und dort ein neuer Kirchhof eingerichtet. Einweihung war 1891.
Auf dem alten Kirchhof durften nur bereits bestehende Gäber weiter benutzt werden. Erst 1944 wurde er ganz geschlosssen. Dagegen benutzte man die Georgskapelle weiterhin für alle Bestattungen. Im Jahre 1932 musste das Dach der Kapelle erneuert werden. Während auf der Vorderseite eine Neudeckung vorgenommen wurde, konnten auf der Hinterseite die noch brauchbaren Dachziegel weiter verwendet werden. Ein Jahr später wurde das Innere der Kapelle nach den Vorschlägen des Provinzialkonservators Prof. Siebem neu ausgemalt.
Die Trennung von Kapelle und Friedhof war auf Dauer unbefriedigend. Doch erst 1958 konnte auf dem neuen Friedhof eine eigene Friedhofskapelle errichtet werden.
Damit war die alte Georgskapelle ohne Funktion. Inzwischen war sie sehr baufällig geworden. So konnte bereits Anfang 1959 die Abbruchgenehmigung der Bauaufsichtsbehörde erreicht werden. Irgendwelche Einwände seitens des Denkmalschutzes gab es anscheinend nicht.
Danach passierte erst einmal einige Jahre nichts. 1965 gab es eine erste Anfrage von dem Steinmetzmeister Friedrich Wolf, der das Grundstück mit der Kapelle darauf übernehmen wollte. Allerdings sollte es noch vier Jahre dauern, bevor es zu einem Abschluss der Verkaufsverhandlungen kam. Zusammen mit dem Grundstück erhielt Wolf die Erlaubnis, die alte Kapelle auf eigene Kosten abzureißen.
Dieser Abriss wurde dann im Februar 1971 durchgeführt. Dabei fand man noch 12 alte Grabplatten, die in der Kapelle als Bodenplatten gedient hatten. Sie wurden jetzt verteilt. Zwei kleine Platten von Kindergräbern behielt Wolf. Die Grabplatte vom Superintendenten Martinus Vitus († 1626) und seiner Ehefrau († 1618) wurde am Kirchturm von St. Nicolai angebracht. Die restlichen brachte man in die Schlosskapelle. Sie wurden teilweise an den Außenwänden angebracht, die anderen im Inneren aufgestellt.
Auf dem erworbenen Grundstück errichtete Wolf 1972 ein neues Wohn- und Geschäftshaus. Die zwei Grabplatten brachte er an der Hofseite an, zusammen mit einer neu gehauenen Steintafel, die an die alte Kapelle erinnert.
Fritz Brüggemann: »Gifhorn - Die Geschichte einer Stadt«, Verlag Alfred Voigt, Gifhorn 1962
Friedrich Wilhelm August Deicke: »Zur Geschichte des Geistlichen Beneficiums in Gifhorn«, handschriftliches Manuskript 1933 (im Kirchenarchiv)
Oskar Kieker/Hans Lütgens: »Die Kunstdenkmale des Kreises Gifhorn«, Hannover 1931, Nachdruck Verlag H. Th. Wenner, Osnabrück 1980
Matthäus Merian/Martin Zeiller: »Topographia Braunschweig Lüneburg«, Frankfurt 1654
Ulrich Roshop: »Gifhorn – Das Werden und Wachsen einer Stadt«, Verlag Liss Werbung, Gifhorn 1982
Jürgen Rund: »Geschichtliches Ortsverzeichnis des Landkreises Gifhorn«, Hahnsche Buchhandlung, Hannover 1996
Gottfried Zimmermann: »Heinrich Meibohms Chronik des Klosters Marienthal«, Gemeinde Mariental 1988