Die Georgs-Kapelle ist das älteste Bauwerk von Gifhorn gewesen, dessen Erbauung durch eine Urkunde belegt ist. Sie hat vor der Stadt am Fuße des Weinberges gelegen und nacheinander in zwei verschiedenen Funktionen gedient.
Die Georgs-Kapelle ist das älteste Bauwerk von Gifhorn gewesen, dessen Erbauung durch eine Urkunde belegt ist. Sie hat vor der Stadt am Fuße des Weinberges gelegen und nacheinander in zwei verschiedenen Funktionen gedient.
13. Juli 1382: Laut einer Urkunde der Herzöge Albrecht von Sachsen-Wittenberg († 1385) und Bernhard zu Braunschweig-Lüneburg († 1434) gründen die Junker Eberhard und Konrad von Marenholtz eine Kapelle zu Gifhorn vor der Brücke über die Ise. Die beiden Junker statten diese mit Ländereien bei Gifhorn und im Papenteich aus.
1382: Laut einer Urkunde im Kloster Marienthal (bei Helmstedt) weiht deren Abt Johannes (amt. 1373-1383) die Kapelle.
Zur damaligen Zeit kommen fromme Stiftungen häufiger vor. Sie sollen das Seelenheil der Stifter nach ihrem Tode sichern. Die Einnahmen dienen in der Regel zur Bezahlung von Priestern, die dafür Gottesdienste und Messen abhalten.
28. Oktober 1386: Die beiden Junker ergänzen ihre Stiftung noch um »2 löthige Mark jährlich«.
1396: Welfenherzog Friedrich von Braunschweig und Lüneburg (reg. 1373-1400) erlaubt dem Priester Hermann die Messe in dieser Kapelle zu halten, wie es ihm am gelegensten ist.
1399: Der Priester Hermann wird als Rektor bezeichnet, ist also anscheinend auch als Lehrer in Gifhorn tätig.
1519: Bei der fast totalen Zerstörung von Gifhorn (»Hildesheimer Stiftsfehde«) scheint die Kapelle verschont geblieben zu sein. So kann sie längere Zeit als Ersatz für Gifhorn dienen, bis endlich die neue St.-Nicolai-Kirche fertiggstellt war.
1529: Mit der Einführung der Reformation verliert die Kapelle ihren Platz als Memorienort. Die Stifterfamilie nutzt die Erträge nicht mehr zur Finanzierung von Geistlichen, sondern unterstützt damit Kinder aus Gifhorn beim Studium oder zum Erlernen des Orgelspiels.
Die Stifterfamilie stellt die Kapelle der Kirchengemeinde zur Nutzung zur Verfügung.
1665: Superintendent Cregel beschwert sich darüber, dass Magdalena von Marenholtz (1588-1658), Witwe von Ludolf von Marenholtz zu Garßenbüttel († 1618), den Ertrag des »St. Jürgen Lehns« für sich selber verwendet habe. Mit dem Erben Junker Moritz von Marenholtz vereinbart er dann, dass die Kirche die Verwaltung der Stiftung übernimmt.
Nach 1519: Beim Wiederaufbau von Gifhorn reicht es für die Kirche nur zu dem Umbau des alten Marstalls. Der Platz um diese neue Kirche ist relativ eng.
So entscheiden sich die Bürger, gemäß den neuen Möglichkeiten durch die Reformation, ihren Kirchhof (heutige Bezeichnung Friedhof) außerhalb anzulegen. Sie wählen einen Platz, der hinter der Kapelle an einem Hang liegt, außerhalb des Sumpflandes der Allerniederung. Damit kommen sie letztlich einer Anordnung der Landesregierung zuvor. Im Jahre 1564 wird die Auslagerung der Begräbnisplätze für das gesamte Herzogtum Lüneburg angeordnet.
Durch die besondere Lage bietet es sich an, die Kapelle auch als Kirchhofskapelle zu benutzen. Für betuchte Bürger steht auch der Platz in der Kapelle, ebenso wie in der Kirche, für Bestattungen zur Verfügung.
1708 bis 1711: Große Renovierung. Dabei werden bei dem Fachwerk viele Balken ersetzt. Da auch Ziegelsteine beschafft werden, kann man davon ausgehen, daß dabei auch Lehmwände durch Ziegelwände ersetzt werden. Außerdem wird das Dach größtenteils mit Ziegeln neu gedeckt. Im Inneren wird der Boden mit Steinplatten aus Velpke neu ausgelegt, soweit dort keine Grabplatten liegen. Die Kanzel wird neu gestaltet. Die Prieche (Empore) bekommt einen neuen Dielenboden. Das Gestühl muss überwiegend neu gefertigt werden, ebenso die Treppenzugänge zu Kanzel und Prieche. An den Fenstern werden viele Scheiben ausgewechselt. Die Rahmen bekommen einen neuen Anstrich. Für den Anstrich der Türen ist eine weiße Ölfarbe dokumentiert, die von dem Apotheker Attaler bezogen wurde.
1719: Die Türen werden wieder mit weißer Ölfarbe gestrichen.
1731: Größere Reparaturen an Dach und Wänden sind erforderlich.
1759/60: Türschwellen und Fenster sind zu reparieren.
1785: Die Wände müssen ausgebessert werden.
Während der napoleonischen Kriege erleidet die Kapelle besonders schwere Beschädigungen. Mit den französischen Soldaten kommen auch starke antikirchliche Strömungen in das Land. In der Kapelle wird eine Schmiede eingerichtet, da die vorhandenen Kapazitäten der Gifhorner Schmiede nicht ausreichen. Dabei wird wohl die gesamte Inneneinrichtung als Feuerholz benutzt. Auch sämtliche Zäune sind vor den Soldaten nicht sicher. Sogar von Leichenschändungen wird berichtet.
Als die letzten Besatzungssoldaten endlich abziehen, hinterlassen sie eine weitgehend ausgeplünderte Bevölkerung. Die Kapelle ist nur noch eine leere Hülle. Wegen fehlender Finanzmittel kann sie nur notdürftig wieder instand gesetzt werden. Die nächsten 28 Jahre verwendet man sie nur als Aufbewahrungsort für die Leichen. Gottesdienstliche Handlungen finden nicht statt.
1841: Die finanziellen Mittel reichen endlich für eine grundlegende Sanierung der Kapelle.
Sie erhält einen neuen Altar, eine neue Kanzel und neues Gestühl samt einer Prieche. Damit kann die Kapelle endlich wieder für Gottesdienste und Trauerfeiern verwendet werden.
1867: An die Kapelle wird eine Remise angebaut. Dort kann dann der Leichenwagen untergebracht werden.
1874/75: Die Wände wwrden neu verputzt. Für die Ausbesserung des Daches müssen etliche Ziegel ausgewechselt werden. Außerdem bekommt das Dach Dachrinnen aus Kupfer. Türen und Fenster werden neu gestrichen.
Die wachsende Bevölkerung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts führt dazu, daß auch der Platz auf dem Kirchhof immer knapper wird.
1874: Der Kirchenvorstand versucht, durch den Ankauf von anliegenden Grundstücken eine Erweiterung zu realisieren. Doch bleiben diese Bemühungen aus verschiedenen Gründen erfolglos.
1889: Die Kirchengemeinde erwirbt ein größeres Grundstück weiter oben am Wilscher Weg.
1891: Dort wird ein neuer Kirchhof eingerichtet und eingeweiht. Bereits bestehende Gäber auf dem alten Kirchhof dürfen weiter benutzt werden.
Die Georgs-Kapelle wird weiterhin für alle Bestattungen genutzt.
1932: Das Dach muss erneuert werden. Während auf der Vorderseite eine Neudeckung vorgenommen wird, können auf der Hinterseite die noch brauchbaren Dachziegel weiter verwendet werden.
1933: Das Innere der Kapelle wird nach den Vorschlägen des Provinzialkonservators Prof. Siebem neu ausgemalt.
1944: Der alte Kirchhof wird endgültig geschlosssen.
Die Trennung von Kapelle und Friedhof ist auf Dauer unbefriedigend.
1918: Die Witwe vom Geheimen Justizrat Storck schenkt der Kirche einen Betrag von 20.000 M zum Bau einer neuen Friedhofskapelle.
1926: Die Umstände in der Nachkriegszeit führen letztlich dazu, dass das Geld zur Anschaffung einer neuen Glocke verwendet werden darf.
1958: Auf dem neuen Friedhof errichtet man eine eigene Friedhofskapelle. Damit ist die alte Georgs-Kapelle ohne Funktion.
1959: Die Kirchengemeinde erreicht die Abbruchgenehmigung der Bauaufsichtsbehörde für die alte Kapelle. Irgendwelche Einwände seitens des Denkmalschutzes gibt es anscheinend nicht.
1965: Der Steinmetzmeister Friedrich Wolf fragt an, ob er das Grundstück mit der Kapelle übernehmen kann.
1969: Die Verkaufsverhandlungen kommen zu einem Abschluss. Zusammen mit dem Grundstück erhält Wolf die Erlaubnis, die alte Kapelle auf eigene Kosten abzureißen.
1971: Die Kapelle wird abgerissen. Noch vorhandene alte Grabplatten werden verteilt. Zwei kleine Platten von Kindergräbern behält Wolf. Die Grabplatte vom Superintendenten Martinus Vitus († 1626) und seiner Ehefrau († 1618) wird am Kirchturm von St. Nicolai angebracht. Die restlichen bringt man in die Schlosskapelle. Sie werden teilweise an den Außenwänden angebracht, die anderen im Inneren aufgestellt.
1972: Auf dem erworbenen Grundstück errichtet Wolf ein neues Wohn- und Geschäftshaus. Die zwei Grabplatten bringt er an der Hofseite an, zusammen mit einer neu gehauenen Steintafel, die an die alte Kapelle erinnert.
2022: Auf Initiative von Kulturamtsleiter Klaus Meister werden auf dem alten Friedhof drei Tafeln aufgestellt, die auch an die abgebrochene Kapelle erinnern.
Uwe Gierz: »Vor 50 Jahren kam der Abrissbagger«, in »1885 Geschichten aus der Geschichte des Landkreises Gifhorn 2021«, Verlag Calluna, Gifhorn 2020
Uwe Gierz: »100 Thaler für arme Schüler, die zu studieren gedenken«, in »1885 Geschichten aus der Geschichte des Landkreises Gifhorn 2023«, Verlag Calluna, Gifhorn 2022
Uwe Gierz: »St. Nicolai in Gifhorn«, Calluna Südheide Verlag, Dedelstorf-Oerrel 2024
Oskar Kieker/Hans Lütgens: »Die Kunstdenkmale des Kreises Gifhorn«, Hannover 1931, Nachdruck Verlag H. Th. Wenner, Osnabrück 1980
Matthäus Merian/Martin Zeiller: »Topographia Braunschweig Lüneburg«, Frankfurt 1654
Ulrich Roshop: »Gifhorn – Das Werden und Wachsen einer Stadt«, Verlag Liss Werbung, Gifhorn 1982
Jürgen Rund: »Geschichtliches Ortsverzeichnis des Landkreises Gifhorn«, Hahnsche Buchhandlung, Hannover 1996
Gottfried Zimmermann: »Heinrich Meibohms Chronik des Klosters Marienthal«, Gemeinde Mariental 1988